Ein Leben für eine ungesendete E-Mail oder: Mal wieder MOOCs an Hochschulen…

Manchmal schreibt man im ersten Reflex eine E-Mail, die man mit Pause und zweiter Lektüre dann doch nicht abschickt. So erging es mir mit einer Antwort auf einen Linktipp, der mich mit dem Hinweis „lesenswert“  auf einen Artikel in der „FAZ“ aufmerksam machte.

Der Inhalt des Artikels erschien mir mehr als schlampig recherchiert und argumentiert. Entsprechend sah meine Antwort aus. Da sowohl der Geber des Linktipps als auch der Verteilende sehr nette, anständige Menschen sind und ich nicht möchte, dass sie die Kritik auf sich persönlich beziehen, habe ich die Antwort nicht gesendet. Aber als Erwiderung auf den Artikel in der „FAZ“ taugt sie vielleicht trotzdem:

Hallo X, lieber Herr Y,

als Glosse lebt der Artikel in der „FAZ“ natürlich von der Übertreibung. Bei aller Übertreibung sollte aber journalistische Sorgfalt nicht vergessen werden – selbst wenn der Autor nur Professor für Amerikanistik und nicht Journalist ist.

Es beginnt schon mit der Bemerkung, dass mit MOOCs demnächst die dickste Sau durchs Dorf getrieben werde. Diese Sau kann aber kaum noch getrieben werden. Sie hat sich nämlich bereits totgelaufen und hängt wahrscheinlich ausgeblutet und ausgeweidet an einer Leiter im Hinterhof von Professor Schulmeister.

Ebenso falsch ist, dass es sich bei MOOCs um a) Lehrplattformen handele und diese b) erstmals 2012 von Coursera betrieben worden seien. Sie sind a) Lernformen (keine technischen Plattformen) und stammen b) aus Kanada, wo sie ihre Schöpfer (Siemens, Downes) 2008 mit einer eigenen Lerntheorie verbanden (connectivism). Das, was später unter dem Begriff MOOC populär wurde, folgt eher altertümlichen Lerntheorien und kann als – hoffentlich erfolgloser – Wiederbelebungsversuch der Vorlesung (im Wortsinne) auch als Vorlesung 2.0 bezeichnet werden.

Daher empfinde ich den Anreißertext des Artikels „Die universitäre Lehre im Internet. Eine Warnung.“ als völlig irreführend, da hier jemandem das Wort erteilt wurde, der mit wenig Differenzierung und mit Halbwissen argumentiert.

Aus meiner Sicht ist das Kernproblem für Hochschullehrende mit MOOCs der US-amerikanischen Darbietungsform nicht, dass sie die Qualität der Lehre langfristig senken werden, da Administrationen darin nur ein Einsparpotential sehen und nutzen. Das Kernproblem ist, dass diese Videoaufzeichnungen von „Stardozenten“ deutlich machen, dass im 21. Jahrhundert bei den gegebenen Bandbreiten zur Verteilung von Inhalten kein Student – und kein Finanzminister – Professoren braucht, die im zwanzigsten Jahr die gleichen Inhalte und Witze in einem Raum vortragen, in dem sich die studierende, passive Zuhörerschaft drängt.

Schreibmaschinen sind nicht vom Markt verschwunden, weil niemand mehr schreibt. Das Gegenteil ist bekanntlich der Fall. Schreibmaschinen sind vom Markt verschwunden, weil es keinen Bedarf mehr für das angebotene Produkt gibt. Und so brauchen wir hochqualifizierte Professoren und Professorinnen nicht zur Weitergabe von Inhalten – für diesen Zweck finden sich andere Mittel – wir brauchen Sie (das große „s“ ist kein orthographischer Fehler), um Lernenden zu helfen, Sinn aus den im Überfluss verfügbaren Informationen zu schöpfen.

Die hierfür zu entwickelnden didaktischen Konzepte werden selbstverständlich auch das Internet nutzen. Denn was für die eine noch „Neuland“ ist, ist für die meisten von uns doch schon voll in der Lebensrealität angekommen. Die Frage kann also nicht sein, welche – oder gar ob – Medien zur Weitergabe von Wissen verwendet werden. Die Frage lautet: Wie organisieren wir Lernen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und Medien am wirkungsvollsten? Die Antwort mag im Einzelfall auch „mit Kreidetafel, Schwamm und lebhafter Diskussion“ lauten. Wer aber darauf keine Antwort findet, muss allerdings fürchten, von amerikanischem Bildungsfernsehen verdrängt zu werden.

Mit freundlichen Grüßen und Dank für die Zeit, die Sie sich zum Lesen genommen haben

Arne Möller

(der sich – auf Reaktionen freuend – schon mal vorbeugend unter seinen Schreibtisch wegduckt 😉 )

Britischer Regierungsreport zum Stand von MOOCs

Der Report beleuchtet den Stand von MOOCs über die verfügbare Literatur:

The maturing of the MOOC: literature review of massive open online courses and other forms of online distance learning

Veröffentlicht auf:

https://www.gov.uk/government/publications/massive-open-online-courses-and-online-distance-learning-review

Blog-Reihe mit Diskussionen zu Qualität in MOOCs

Ja, mal wieder MOOCs…

Aber unter http://mooc.efquel.org/the-mooc-quality-project/ werden die kommenden Wochen Beiträge von Autoren wie Stephen Downes („Vater“ der MOOCs, der sein „Kind“ durchaus kritisch sieht) oder Grainne Conole (ehemals Open University, UK) veröffentlicht und zur Diskussion gestellt, die der Frage nachgehen, was Qualität in MOOCs ausmacht.

Und noch eine MOOC-Plattform – etwas anders

Jetzt startet auch noch Stanford eine eigene Plattform für MOOCS:http://novoed.com/

Hier sollen anscheinend (wie beispielsweise im Kurs Mobile Health Without Borders) auch cMOOCs veranstaltet werden.

Gestaltung von Lernangeboten nach Glaubensrichtung: behavioristisch, kognitivistisch, konstruktivistisch, konnektivistisch?

Wie funktioniert gute Online-Lehre? Wer diese Frage beantworten möchte, kann auch fragen: Woran glauben Sie denn?

In Abhängigkeit der didaktischen Schule, der man – bewusst oder unterbewusst – anhängt, wird man zu unterschiedlichen Aussagen über den Aufbau eines guten Angebots für Online-Lehre respektive Online-Lernen kommen.

Debbie Morrison untersucht in dem Beitrag „A Tale of Two MOOCs @ Coursera: Divided by Pedagogy„, warum zwei inhaltlich ähnliche Kursangebote auf Coursera deutlich unterschiedlich erfolgreich waren (ein Kurs musste vorzeitig geschlossen werden).

Sie macht dabei die didaktische Ausrichtung als Erfolgsfaktor aus und erklärt quasi im vorbeigehen Behaviorismus, Kognitivismus, Konstruktivismus und Konnektivismus als didaktische Herangehensweisen.