Inside Higher Ed berichtet von einem einfachen Grund, warum Erkenntnisse zu neuen Lern- und Lehrmethoden nicht den Weg von der Forschung in die Lehre an Hochschulen finden: Lehrende haben Angst blöd vor ihren Studierenden dazustehen.
Die Anthropologin Lauren Herckis sollte dem Bereicht zufolge an der Carnegie Mellon University untersuchen, warum die Universität darin versagte, ihre eigene, führende Forschung zu studentischen Lernprozessen in die Lehre zu übernehmen.
Ein weiteres identifiziertes Problem der Untersuchung war, dass Lehrende überlieferte Vorstellungen davon beibehielten, was gute Lehre sei, selbst wenn es gegenteilige Beweise gab.
Außerdem waren laut Herckis Lehrende eher bereit, etwas Neues auszuprobieren, das sie sich selbst ausgedacht hatten, als erprobte Konzepte Anderer zu übernehmen.
Zum letzten Punkt passt ein Interview auf den Seiten des Hochschulforums Digitalisierung mit Armin Rubner von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Herr Rubner äußert:
„Ein aktueller Ansatz in dieser Hinsicht wäre das so genannte Peer-Review-Verfahren, das bereits in einigen MOOCs seine Anwendung findet. So lernen die Studierenden bereits früh in Teams zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig konstruktiv zu bewerten, aber auch, wie sie selbst von anderen – nach einem allen gemeinsam zugänglichen Bewertungsschema – bewertet werden. Das ist schon ein guter erster Schritt, wobei dieses Konzept noch weitergedacht werden sollte und sich bestenfalls evolutionär und nicht, wie häufig effektheischend verkündet, revolutionär entwickeln wird. Denn an solche Konzepte müssen sich alle Beteiligten erst einmal langsam herantasten und gewöhnen: Einerseits die Lehrenden, weil sie dann stärker Begleiter und Coaches von Bildungsprozessen werden, und andererseits die Lernenden, die Erfahrung sammeln müssen wie kritische Bewertungen konstruktiv zu vermitteln sind und wie es sich anfühlt, solcher Art von anderen „peers“ bewertet zu werden.“ Quelle: Hochschulforum Digitalisierung
Was aber soll an Peer-Reviews neu und gewöhnungsbedürftig sein, wenn diese Methode bei meinem Erasmus-Aufenthalt in Schweden – in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts – schon eine eine gut eingeführte und untersuchte Standardmethode des Unterrichts an schwedischen Hochschulen war? Wird hier das Rad neu erfunden?
Auch im Bereich Lernen mit Medien gibt es schon umfangreiche Untersuchungen. Deshalb muss nicht jede Methode oder jedes Szenario an jeder Hochschule erneut mit Pilotversuchen getestet und (gesondert) evaluiert werden. Wir dürfen hier einfach auf den Schultern unserer Vorgänger stehen und Erkenntnisse nutzen, die mit guter wissenschaftlicher Praxis gewonnen worden sind – schließlich ermitteln Physiker die Lichtgeschwindigkeit auch nicht jeden Tag aufs Neue. (Die meisten jedenfalls nicht. 😉 )
Ebenso sollte es heute jedem klar sein – oder zumindest erklärbar – dass die Wissensbasis heute so breit ist, dass kein noch so guter Experte die Möglichkeit hat im jeweiligen Fachgebiet alle relevanten Studien zu lesen oder auch nur zu kennen. Lehrende haben kein Wissensmonopol mehr, sondern sollten Lernende dabei unterstützen, sich systematische Wege durch das Wissensdickicht zu bahnen, welches für Lernende (wie Lehrende genauso!) mit einer unglaublichen Dynamik jeden Tag dichter wird.
Damit sollte auch die Angst schwinden, sich zu blamieren, weil man mal etwas nicht weiß oder etwas nicht auf Anhieb funktioniert. Lehrende sind keine Enzyklopädien, sondern sollten Fachexperten/-innen sein, die Lernenden helfen sich in ein Fachgebiet einzuarbeiten, d.h. Wissen (im weiteren Sinne) zu erwerben, es anzuwenden, es kritisch zu hinterfragen und bestenfalls daraus Neues zu erschaffen.
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